Einleitung

In Ungarn ist die Schiedsgerichtsbarkeit mit dem Gesetz LXXI/1994 geregelt, dies aufgrund der Gesetzesvorlage UNCITRAL. Das Gesetz regelt die Verfahrensordnung in dispositiver Weise und lässt Freiraum dem Willen der Parteien. Die Geltung des Gesetzes erstreckt sich auf Ad-hoc-Schiedsgerichte, die für die Entscheidung eines einzigen Rechtsstreites aufgestellt wurden ebenso, wie auf die ständigen, institutionalisierten Schiedsgerichte. Ad-hoc-Schiedsgerichte und ihre Verfahrensordnung entstehen durch Vereinbarung der Parteien, wogegen ein ständiges Schiedsgericht nur mit der Gründungsurkunde einer Landeswirtschaftskammer, und mit eigener Verfahrensordnung errichtet werden kann.

Allgemeine Bestimmungen

Die Inanspruchnahme eines Schiedsgerichtes anstelle des ordentlichen (staatlichen) Gerichtes ist ausschließlich dann möglich, wenn zwischen den Parteien eine diesbezügli-che Übereinkunft, eine Schiedsgerichtsklausel oder ein Schiedsgerichtsvertrag besteht, und wenn mindestens eine der Parteien ein Wirtschaftsgewerbe betreibt, und der Rechtsstreit mit dieser Tätigkeit verbunden ist, und die Parteien frei über den Gegenstand des Verfahrens verfügen.
Nicht statthaft ist das Schiedsgerichtsverfahren in Sonderverfahren der Zivilprozessordnung (z.B. in Prozessen über den Personenzustand oder in Verwaltungsprozessen), sowie in Fällen wo dies vom Gesetz ausgeschlossen wird.
Ein Schiedsgerichtsvertrag ist eine dahingehende Vereinbarung der Parteien, dass sie einen, aus ihrem von ihnen bestimmten, vertraglichen oder außervertraglichen Rechtsverhältnis entstandenen oder entstehenden Rechtsstreit von einem Schiedsgericht entscheiden lassen wollen. Ein Schiedsgerichtsvertrag gilt ausschließlich in Schriftform, und kann als selbstständiger Vertrag oder Teil eines anderen Vertrages zustande kommen. Vom Gesetz wird auch jene Vereinbarung als schriftlich zustande gekommen betrachtet, die zwischen den Parteien mit Brief-, Telegramm-, Telexwechsel entstanden ist, einschließlich auch andere Mittel der dauerhaften Speicherung von Mitteilungen der Parteien. Es fällt unter die gleiche Beurteilung, wenn von der einen Partei in der Klageschrift das Bestehen eines Schiedsgerichtsvertrages zwischen ihnen behauptet wird, und die andere Partei dies nicht in Abrede stellt. Wurde in der Sache, die den Gegenstand des Schiedsgerichtsvertrages bildet, beim ordentlichen Gericht eine Klage eingereicht, wird die Klage vom Gericht ohne Ladung abgelehnt oder der Prozess auf Antrag einer der Parteien aufgehoben, dies mit Ausnahme des Falles, dass der Schiedsgerichtsvertrag nach Ansicht des Gerichtes nicht zustande gekommen, ungültig, unwirksam oder unbefolgbar ist. Doch die Einreichung der genannten Klage behindert nicht die Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens.

Bestimmung und Ausschluss der Schiedsrichter, Ende ihres Auftrages

Die Schiedsrichter sind unabhängig, unparteiisch, und wenn sie von den Parteien bestimmt werden, sind sie keine Vertreter dieser. Sie können während der Ausübung ihres Auftrages keine Weisungen annehmen, und sind zur vollen Verschwiegenheit verpflichtet. Im Falle eines ständigen Schiedsgerichtes haben sie hierüber eine schriftliche Erklärung abzugeben.
Folgende Personen können nicht das Amt des Schiedsrichters bekleiden:
– die ihr 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
– denen die Teilnahme an öffentlichen Angelegenheiten verboten wurde,
– die vom Gericht rechtskräftig unter Vormundschaft gesetzt wurden,
– die vom Gericht rechtskräftig zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe verurteilt wurden, bis sie von den Nachteilen ihrer Vorbestraftheit befreit sind.
Das Schiedsgericht kann aus einem selbständig handelndem Richter oder aus einem Senat aus mehreren Richtern bestehen. Mangels einer diesbezüglichen Vereinbarung der Parteien wird ein aus drei Richtern bestehender Senat vorgehen. Die Parteien stimmen je einen Richter, und diese bestimmen selbst den Dritten, oder im Falle von mehreren Senatsmitgliedern die übrigen Richter. Kommt eine Partei ihrer Bestimmungspflicht nicht nach oder können sich die bestimmten Richter nicht in der Person des dritten Richters einigen, wird der fehlende Richter auf Antrag einer der Parteien vom zuständigen Komitatsgericht bestimmt. In Sachen die mit dem Schiedsgerichtsverfahren verbunden sind ist jenes Komitatsgericht zuständig, auf dessen Zuständigkeitsgebiet sich der Sitz des Beklagten befindet oder auf dessen Zuständigkeitsgebiet der zum Rechtsstreit führende Vertrag abgeschlossen wurde. Kann so nicht festgestellt werden welches Gericht zuständig ist, wird das Hauptstädtische Gericht vorgehen.
Der Auftrag des Schiedsrichters kommt mit dessen Annahme zustande, und endet mit Rücktritt, Ausschluss oder einer Vereinbarung der Parteien.
Bei Bestehen von Umständen, die berechtigte Zweifel betreffend Unabhängigkeit oder unparteiisches Verhalten des Richters aufkommen lassen, oder wenn dieser nicht über die von den Parteien verlangte fachliche Qualifikation verfügt, kann von den Parteien ein Antrag auf Ausschluss eingebracht werden. Dieser Antrag ist binnen 15 Tagen ab Kenntnisnahme über Zusammensetzung des Schiedsgerichtes oder den begründenden Umstand, einzureichen. Über den Antrag entscheidet das Schiedsgericht. Sollte der Ausschlussantrag zu keinem Ergebnis führen, kann sich der Antragsteller innerhalb von 30 Tagen an das zuständige Komitatsgericht wenden.
Taucht der Grund, der die Bekleidung des Schiedsrichteramtes ausschließt, erst nach Annahme der Bestellung auf, oder wird der Richter tatsächlich unfähig seine Aufgabe wahrzunehmen, oder handelt er aus anderen Gründen nicht rechtzeitig, kann er von seinem Amt zurücktreten oder die Parteien können die Aufhebung seines Auftrages vereinbaren.
  Sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichtes

Das Schiedsgericht entscheidet selbst über seine sachliche Zuständigkeit. Bei der Beurteilung dessen ist die Schiedsgerichtsklausel als eine von den übrigen Bestimmungen des Vertrages unabhängige Vereinbarung zu betrachten, das heißt alleine von der Ungültigkeit oder Nichtigkeit des Vertrages wird noch keine Ungültigkeit oder Nichtigkeit der Schiedsgerichtsvereinbarung nach sich gezogen. Eine Beanstandung in Zusammenhang mit der sachlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichtes soll spätestens zeitgleich mit der Einreichung des Klageerwiderung, und eine Beanstandung wegen Überschreitung der sachlichen Zuständigkeit soll bei der vermuteten Überschreitung eingereicht werden.
Jede Partei kann vom Schiedsgericht zu zeitweiligen Maßnahmen oder Stellung von Sicherheiten angewiesen werden, die vom Schiedsgericht bezüglich des Streitgegenstandes als notwendig erachtet werden. Ein zum ordentlichen Gericht eingereichter Antrag der Partei wegen Veranlassung zeitweiliger Maßnahmen steht nicht in Widerspruch mit dem Schiedsgerichtsverfahren.

Das Verfahren des Schiedsgerichtes

Voraugehaltend die Gleichbehandlung der Parteien, werden die Regeln des Schiedsgerichtsverfahrens von den Parteien frei festgelegt. Mangels einer Vereinbarung der Parteien kommen die Bestimmungen des Gesetzes zur Geltung.
Im Unterschied zum Verfahrend des ordentlichen Gerichtes, ist das Schiedsgerichtsverfahren nicht öffentlich. Mangels einer abweichenden Vereinbarung der Parteien gilt die Ungarische als Sprache des Verfahrens. Im Falle eines Ad-hoc-Schiedsgerichtes wird der Ort des Schiedsgerichtes mit Berücksichtigung des Umstände des Falles vom Gericht bestimmt. Das Verfahren gilt mit jenem Tag als eingeleitet, an dem die beklagte Partei die Erklärung über die Einreichung des Rechtsstreites an das Schiedsgericht, erhalten hat. Beim ständigen Schiedsgericht ist der Ort des Verfahrens in der Gründungsurkunde festgelegt, und das Verfahren fängt mit dem Tag des Eingangs der Klageschrift beim Schiedsgericht, an. Die Parteien haben das Klagebegehren, die Klageerwiderung und die diese unterstützenden Faktdarstellungen innerhalb der vorgegebenen Frist vorzulegen. Jede Partei ist berechtigt ihre Klage oder ihre Klageerwiderung im Laufe des Verfahrens zu ändern oder zu ergänzen. Vom Gericht können die Parteien, die Zeugen und die Gutachter angehört werden, es ist jedoch nicht berechtigt Geldbussen oder sonstige Zwangsmittel einzusetzen. Über das Schiedsgerichtsverfahren ist Protokoll zu führen.
Das Schiedsgericht stellt das Verfahren ein, wenn vom Kläger die Klageschrift – ohne Begründung – nicht eingereicht wird. Reicht der Beklagte keine Klageerwiderung ein, hat das Schiedsgericht das Verfahren fortzusetzen.
Wie das ordentliche Gericht, so ist auch das Schiedsgericht berechtigt zur Beurteilung von Fragen, die eine fachliche Kompetenz verlangen, Gutachter zu bestellen.
Im Laufe des Beweisführungsverfahrens leistet das örtliche Gericht, in dessen Zuständigkeitsgebiet sich die Beweisführung am zweckdienlichsten vornehmen lässt, Rechtshilfe mit der Durchführung des Beweisführungsverfahrens und mit Anwendung der dabei eventuell erforderlichen Zwangsmittel, dies auf Ersuchen des Schiedsgerichtes. In Budapest geht das Pester Zentrale Bezirksgericht vor.
Ein Senatsgericht fasst Mehrheitsbeschlüsse. Mangels eines Mehrheitsstandpunktes entscheidet der Senatspräsident. Das Schiedsgerichtsverfahren endet mit einem die Sache entscheidenden Urteil oder mit einem Beschluss über die Einstellung des Verfahrens.
Kommen die Parteien im Rechtsstreit zu einem Ausgleich, wird das Verfahren vom Gericht per Beschluss eingestellt. Wird der Ausgleich vom Gericht auf gemeinsamen Antrag der Parteien in einem Urteil gefasst, hat dies die gleiche Wirkung wie ein Urteil. Das Schiedsgerichtsverfahrens hebt sich auf, wenn:
– vom Kläger seine Klage nicht eingereicht wird,
– vom Kläger seine Klage zurückgezogen wird,
– sich die Parteien in der Einstellung des Verfahrens einigen,
– das Gericht zur Ansicht kommt, dass eine Fortsetzung des Verfahrens aus jedwelchem Grunde unnötig oder unmöglich ist.
Eine Korrektion, Deutung oder Ergänzung des Urteils ist auf Antrag und auch von amtswegen möglich.

 

Ungültigmachung des Schiedsgerichtsurteils

Gegen das Urteil des Schiedsgerichtes gibt es keine Rechtsmittel. Doch die Partei und jene, die von Bestimmungen des Urteils betroffen werden, können vom zuständigen Komitatsgericht bei Vorliegen folgender Gründe die Aufhebung des Urteils verlangen:
– wenn der Partei, die den Schiedsgerichtsvertrag abgeschlossen hat, die Rechtsfähigkeit oder die Handelungsfähigkeit fehlte,
– wenn der Schiedsgerichtsvertrag im Sinne des gewählten Rechtes, oder mangels eines Bestimmung über das maßgebende Recht, im Sinne des ungarischen Rechtes, ungültig ist,
– wenn sie über die Bestimmung des Schiedsrichters bzw. über das Verfahren des Schiedsgerichtes nicht ordnungsgemäß benachrichtigt wurde oder sie nicht in der Lage war die Sache vorzutragen,
– wenn das Urteil in einem Rechtsstreit gefällt wurde, auf den sich die Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit nicht erstreckt, – wenn Zusammensetzung oder Verfahren des Schiedsgericht nicht der Vereinbarung der Parteien, oder mangels einer solchen, den Bestimmungen des Gesetzes entsprochen haben,
– wenn der Streitgegenstand nach Bestimmungen des ungarischen Rechtes nicht vor ein Schiedsgericht gehört,
– wenn das Urteil gegen die öffentliche Ordnung Ungarns verstößt.
Auf Antrag der Partei kann vom Gericht der Vollzug des Schiedsgerichtsurteils ausgesetzt werden. Das Urteil des Schiedsgerichtes hat die gleiche Wirkung wie ein rechtskräftiges Urteil eines ordentlichen Gerichtes, und auch für den Vollzug gelten die Bestimmungen des gerichtlichen Vollzuges.

 

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September 2007